Deutsche Gesellschaft
für phänomenologische Forschung

Conference | Paper

Phänomenologie der Öffentlichkeit

Sophie Loidolt

Freitag 1 Juli 2022

17:00

Was bedeutet es, in der Öffentlichkeit zu sein, zu erscheinen und zu handeln? Die existenzielle Bedeutung öffentlicher Räume und Begegnungen ist uns in den letzten beiden Pandemiejahren gerade durch Entzugserfahrungen deutlich geworden. Aber auch schon die Jahre davor sind klassische Konzepte von Öffentlichkeit und Privatheit theoretisch und praktisch auf die Probe gestellt worden, insofern sie sich durch die fortschreitende Technologisierung und Ökonomisierung neu ordnen und hybridisieren. Nicht zuletzt führt uns die politische Situation vor Augen, unter welchen Bedingungen Öffentlichkeit deformiert oder gar zerstört wird. All dies sind Gegenwartserfahrungen und Krisismomente von Öffentlichkeit – einer Krisis, die ganz im Husserl’schen Sinne eine phänomenologische Besinnung erfordert, auf Urstiftung, Sinnbildungsprozesse und Erfahrungstypen von Öffentlichkeit.

In der Husserl-Lecture werden im Rückgriff auf die reichhaltige phänomenologisch-hermeneutische Tradition Grundlinien einer „Phänomenologie der Öffentlichkeit“ entwickelt. Konzipiert wird diese als eine methodisch reflektierte Analyse von Strukturen der Erfahrung, der Existenz, und des Erscheinens, sowie der Realitätskonstitution. Dabei soll eine Typologie von „Öffentlichkeitserfahrungen“ freigelegt werden, die sowohl die impliziten normativen Ansprüche an Öffentlichkeit sowie das Entstehen von spezifischen Sinnräumen nachzeichnet. Neben den wesentlichen Merkmalen der Gemeinsamkeit und der Sichtbarkeit dessen, was im öffentlichen Raum erscheint, stehen Anonymität und Ausgesetztheit, Zugänglichkeit und Ausschluss, Partizipation und Distanz, sowie Modi des Streits und des Urteils als Erfahrungs-und Sozialtypen von Öffentlichkeit in Frage. Dadurch lässt sich jenseits von bloß psychologischen Zustandsaufnahmen erschließen, wie Welten, öffentliche, private und v.a. Hybridwelten sich konstituieren, er- und gelebt werden, wie Ambivalenzen in Bezug auf das Erscheinen von Welt, Selbst und Anderen sich abzeichnen und wie dadurch gelingende und scheiternde Erfahrungen von Öffentlichkeit zustande kommen können.