Deutsche Gesellschaft
für phänomenologische Forschung

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148738

Der Andere und der Fremde

Stephan Strasser

pp. 88-91

Abstrakt

Wer ist für uns ein Anderer? Wer ist für uns ein Fremder? In der berühmten fünften Cartesianischen Meditation werden die beiden Fragen nicht deutlich unterschieden. Gleich zu Anfang kündigt Husserl eine "Exposition der Fremderfahrung" an. Aber auf den folgenden Seiten vernehmen wir, daß es sich um den "erfahrenen Anderen" handelt (Hua I, 121, 122). Verwirrend wirkt dabei der von Husserl vielfach gebrauchte Fachausdruck "Alter ego". Der lateinische Terminus technicus kann zweierlei bedeuten. Er kann implizieren: "Es gibt zwei Sorten ego's, das meine und das aller anderen." Er kann auch folgendermaßen verstanden werden:"Das andere Ich ist radikal anders als Ich, und darum ist es ein Fremd-Ich". Für Husserl dürfte der transzendentale und zugleich der egologische Gesichtspunkt maßgebend gewesen sein. Von meiner transzendentalen Bewußtseinsinnerlichkeit aus besehen ist jeder Andere wesensmäßig ein Fremder, ja er ist sogar "das an sich erste Fremde" (Hua I, 137). Ein transzendentales "Wir" gibt es zunächst nicht. — Aber ist dieser Gesichtspunkt der einzig richtige? Woher kommt es, daß wir in unserem Denken und Sprechen konsequent zwischen "dem Anderen" und "dem Fremden" zu unterscheiden wissen? Werden nicht under dem Titel "Alter ego" wichtige phänomenologische Unterschiede verwischt?

Publication details

Published in:

Strasser Stephan (1991) Welt im Widerspruch: Gedanken zu einer Phänomenologie als ethischer Fundamentalphilosophie. Dordrecht, Springer.

Seiten: 88-91

DOI: 10.1007/978-94-011-2484-3_24

Referenz:

Strasser Stephan (1991) Der Andere und der Fremde, In: Welt im Widerspruch, Dordrecht, Springer, 88–91.