Zur Theorie des schizophrenen Personwandels
pp. 73-112
Abstrakt
Die Untersuchung war bisher vornehmlich deskriptive Analyse situativer Strukturen des Schizophrenen und dynamischer Wechselbezüge einiger heraushebbarer Strukturmomente. Der Ablauf der Stadien wurde als solcher festgestellt und im Hinblick auf seelische Bedingungen der Wandlungen nur unsystematisch befragt. Aufbau einer Theorie besagt aber: Feststellung eines strikten Bedingungszusammenhanges situativer Teilmomente, aus denen mit konditionalgenetischer Folgerichtigkeit seelische Geschehensabläufe nach ihrer Erlebens- und Verhaltenscharakteristik erklärbar und voraussagbar werden. In der Psychologie gilt ein solches Methodenideal vielen als vorbildlich, wiewohl damit bisher lediglich periphere Leistungsabläufe erfaßt, nicht aber eine Personlehre im ganzen bestritten werden konnten. Für die Psychopathologie hat rigorose Theorie-"Besessenheit" — man darf dies angesichts einer Legion psychometrischer Forschungen ruhig sagen — nicht zu einer verbindlichen Theorie geführt. Häufig wurden die engen Grenzen einer naturalistischen Versachlichung des Seelischen verkannt, wie vor allem Straus zeigte; man übersah die Notwendigkeit von Zugangs weisen, die den Eigenheiten des Seelischen genügen. Diesen den Rang der Erkenntniswissenschaft-lichkeit zu entziehen und sie auf eine vorwissenschaftliche "Kennerschaft"" zu reduzieren, wie es Conrad gegen den Sinn seines eigenen Forschens andeutungsweise tut, ist nur möglich, wenn Wissenschaft und Naturwissenschaft gleichgesetzt werden.
Publication details
Published in:
Kisker K. P. (1960) Der Erlebniswandel des Schizophrenen: ein psychopathologischer Beitrag zur Psychonomie schizophrener Grundsituationen. Dordrecht, Springer.
Seiten: 73-112
DOI: 10.1007/978-3-642-86128-4_4
Referenz:
Kisker K. P. (1960) „Zur Theorie des schizophrenen Personwandels“, In: K. P. Kisker (Hrsg.), Der Erlebniswandel des Schizophrenen, Dordrecht, Springer, 73–112.