Deutsche Gesellschaft
für phänomenologische Forschung

Buch | Kapitel

208952

Ein Präzedenzfall für die Internationalisierung der Wissenschaften

Zur semiotischen Literaturtheorie von Zoltán Kanyó

Károly Csúri

pp. 403-424

Abstrakt

Die kultur- und wissenschaftspolitische Lage der 60er und 70er Jahre in Ungarn hat die Einführung theoretisch-methodologischer Erneuerungen in den Gesellschaftswissenschaften nicht leicht gemacht. Die politisch-ideologische Überwachung in dieser ›weichen Diktatur‹ funktionierte nach der berüchtigten Drei-Stufen-Formel: Fördern — Dulden — Verbieten. Die Monopolstellung des Staates bezüglich der Medien, der Bücher- und Zeitschriftenausgabe, der Zulassung von Forschungsrichtungen, der Festlegung von universitären Ausbildungsprogrammen, der Genehmigung und Kontrolle von Auslandsstipendien und -beziehungen — um nur einige Gebiete möglichen Wissenschaftstransfers zu nennen — hatte zur Folge: All das, was nicht ausdrücklich ›gefördert‹ wurde, ließ sich auch nicht durchsetzen und realisieren. Oder nicht in dem Maße, daß es auch öffentlich hätte wirksam werden können. Das ›Unerwünschte‹ hat man — meist nur ›handgesteuert‹ und ohne jede schriftliche Spur — auf eine äußerlich paternalistisch-liberale (für die westlichen Demokratien gerade noch hoffähige Weise) zum Schweigen gebracht. In einigen Fällen jedoch, die als besonders ›gefährlich‹ galten, kümmerte man sich nicht einmal um den Anschein: bereits erschienene Werke wurden verboten, angekündigte Theateraufführungen und Vortragsabende abgesetzt, gedrehte Filme nicht zugelassen. Wissenschaftler und Wissenschaften wurden diffamiert, manchmal sogar in ihrer Existenz bedroht. Mehreren Lukács-Schülern, bekannten Philosophen und Soziologen der späten 60er und frühen 70er Jahre, erteilte man 1973 Berufs- und Publikationsverbot.

Publication details

Published in:

Danneberg Lutz, Vollhardt Friedrich (1996) Wie international ist die Literaturwissenschaft?: Methoden- und Theoriediskussion in den Literaturwissenschaften: kulturelle Besonderheiten und interkultureller Austausch am Beispiel des Interpretationsproblems (1950–1990). Stuttgart, Metzler.

Seiten: 403-424

DOI: 10.1007/978-3-476-03631-5_25

Referenz:

Csúri Károly (1996) „Ein Präzedenzfall für die Internationalisierung der Wissenschaften: Zur semiotischen Literaturtheorie von Zoltán Kanyó“, In: L. Danneberg & F. Vollhardt (Hrsg.), Wie international ist die Literaturwissenschaft?, Stuttgart, Metzler, 403–424.