Deutsche Gesellschaft
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218439

Röhmkrise und Zweite Revolution

Wolfgang SauerGerhard SchulzKarl Dietrich Bracher

pp. 897-966

Abstrakt

Ende 1933 schien Hitler Herr in Deutschland zu sein. Die entscheidenden Machtpositionen in Staat und Gesellschaft waren in seiner und seiner Anhänger Hand; der überraschende Rückgang der Arbeitslosigkeit hatte in den Kreisen der Wirtschaft und in der arbeitenden Bevölkerung nach langen Jahren der Krise die Hoffnung auf eine baldige Überwindung der unerträglichen materiellen Existenzbedrohung erweckt und den Willen zur Zusammenarbeit mit der neuen Regierung gestärkt, und in der Außenpolitik hatte die unerwartete Initiative in Gestalt des Austritts aus dem Völkerbund, da sie nicht sofort mit einem Gegenschlag beantwortet wurde, eine Verwirrung gestiftet, die Deutschland zunächst eine Atempause verschaffte und Hitler im Innern Gelegenheit gab, durch das scheindemokratische Plebiszit vom 12. November 1933 neues Prestige zu sammeln. Zwar lebte Hindenburg noch und wahrte einen Rest seiner präsidentiellen Prärogativen; der nationalsozialistische Angriff auf die evangelische Kirche war zumindest ins Stocken geraten, und auch der Versuch, mit der Ernennung Reichenaus zum Chef der Heeresleitung eine den Wünschen Hitlers entsprechende Wehrmachtführung durchzusetzen, war gescheitert. Aber die Kirche war keine politische Macht, um die sich ein aktiver Widerstand kristallisieren konnte, und Hindenburg sowohl wie die Wehrmacht durften vorläufig als Verbündete gelten, deren politisches Gewicht und Bewegungsfreiheit durch die Ausschaltung aller anderen selbständigen politischen Kräfte stark gemindert waren.

Publication details

Published in:

Bracher Karl Dietrich, Sauer Wolfgang, Schulz Gerhard (1960) Die nationalsozialistische Machtergreifung: Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Seiten: 897-966

DOI: 10.1007/978-3-322-96204-1_15

Referenz:

Sauer Wolfgang, Schulz Gerhard, Bracher Karl Dietrich (1960) Röhmkrise und Zweite Revolution, In: Die nationalsozialistische Machtergreifung, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 897–966.