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Bestimmung der Psychiatrischen Erfahrung Durch das, was ihr Voranläuft
pp. 13-18
Abstrakt
Die Kehre zu dem, was vor den Wissenschaften liegt, scheint ein Charakteristikum der in sich gebrochenen Haltung des Wissenschaftlers unserer Tage, der nurmehr modo obliquo und schlechten Gewissens auf Rationalität baut, sofern er wach und redlich genug ist, sein geübtes Fragen als ein frag-würdiges auszuhalten. Der Rekurs auf das Vor-Wissenschaftliche, wie er heute hier und dort spürbar wird, ist aber nicht nur philosophisch (etwa durch die wissenschaftsskeptische Phänomenologie) oder durch den historischen Relativismus der Moderne motiviert sondern auch durch den jetzt so leicht gewordenen Vergleich von westlicher und nativer Empirie. Seitdem die Psychiater die Ethnizität ihres Feldes nicht mehr, wie noch Kraepelin, in mühsamen Einzelexpeditionen erkunden sondern den Duft der großen weiten Welt, mit epidemiologischer Eleganz serviert, um und vor sich haben, sind ihnen Einsichten zuteil geworden, die ihr Erkennen und Umgehen mit der Verrücktheit als blasse psychologistische Kümmerform dessen ausweisen, was auf Haiti oder bei den Pueblos in einer lebendig erfüllten Weise seit je geschah. Es ist kein Zufall, daß Ari Kiev, der diese Erfahrungen im neuesten Band des American Handbook of Psychiatry referiert, sie nicht unter den Titel des Transkulturellen bringt sondern unter denjenigen der prescientific psychiatry.
Publication details
Published in:
Kisker K. P. (1970) Dialogik der Verrücktheit ein Versuch an den Grenzen der Anthropologie. Dordrecht, Springer.
Seiten: 13-18
DOI: 10.1007/978-94-010-3248-3_3
Referenz:
Kisker K. P. (1970) Bestimmung der Psychiatrischen Erfahrung Durch das, was ihr Voranläuft, In: Dialogik der Verrücktheit ein Versuch an den Grenzen der Anthropologie, Dordrecht, Springer, 13–18.