Deutsche Gesellschaft
für phänomenologische Forschung

Conference | Paper

Emotionales Engagement und praktische Identität. Zur Phänomenologie moralischer Wahrnehmung

Sonja Rinofner-Kreidl

Donnerstag 6 Juli 2023

IPPUM-03B07

Der vorliegende Essay zielt darauf, die Frage zu beantworten, was unter „moralischer Wahr­nehmung“ zu verstehen ist und worin ihre Natur und Bedeutung im Hinblick auf eine phänomenologische Ethik und Werttheorie liegen. Die Einleitung skizziert einige diesbezüglich relevanten Probleme und Herausforderungen (I). Der zweite Teil greift die Idee der moralischen Supervenienz auf und geht der Frage nach, was diese in der gegenwärtigen metaethischen De­batte häufig in Anspruch genommene Konzeption, welche eine generelle These zur Konsti­tution moralischer Eigenschaften bzw. Fakten darstellt, zur Analyse von moralischer Wahrneh­mung beiträgt (II). Im dritten Teil wird zugunsten einer alternativen Konzeption argumentiert. Es wird die These vertreten, dass es vielmehr eine phänomenologisch-deskriptive Untersu­chung ist, welche imstande ist, die Eigenart moralischer Wahrnehmung als einer kon­text­sensitiven Diskriminierungsleistung zu er­schließen. Denn der phänomenologische Zu­gang zeich­net sich dadurch aus, den Selbsteinschluss des wahrneh­men­den Subjekts und die parti­kularen Wahrnehmungs- und Handlungsumstände im Rekurs auf die Idee prak­tischer Iden­tität in angemessener Weise zu berücksichtigen. Eine Phänomenologie der morali­schen Wahr­neh­mung ist in diesem Sinn integrativ (inklusiv) und dynamisch. Sie weist die zeitliche und interaktive (soziale) Dimension der moralischen Wahrnehmung als konstitutive (sc. nicht bloß kontingent anhängende) Bestandteile derselben auf. (III). Im vierten Teil wird diese Grund­legung anhand der exemplarischen Auseinandersetzung mit einem lite­rarischen Text (Ferdi­nand von Schirachs Kurzgeschichte Notwehr) zur Anwendung ge­bracht. Der Fokus liegt dabei auf der Wahrnehmung von Personen als Handlungsträgern wie auch auf der Wahr­nehmung eigener und fremder Gefühle und deren Beitrag zur Konstitution des Wahr­genom­menen (IV). Der abschließende fünfte Teil skizziert das Gerüst einer phänomenologischen Konzeption morali­scher Wahrnehmung, wie es sich auf Basis des zuvor Ausgeführten darstellt (V).

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