Deutsche Gesellschaft
für phänomenologische Forschung

Kalendar | Conference

Lebendige Welt und soziale Ordnung. Zur Aktualität der Phänomenologischen Anthropologien Max Schelers und Helmuth Plessners

Frankfurt (Oder), 29 - 1 August 2025

In einer Zeit, die von globalen ökologischen Krisen, gesellschaftlichen Umbrüchen und

technologischen Entwicklungen geprägt ist, gewinnt die Frage nach dem Menschen und seiner

Einbettung in die Welt neue Brisanz. Die heutige Ära wird nicht ohne Grund als Anthropozän

bezeichnet, da der Mensch tiefgreifenden Einfluss auf seine Lebenswelt ausübt. Die

Anthropologie kann hier Orientierung bieten, um die Herausforderungen und Spannungen

unserer Gegenwart besser zu verstehen. Indes wirkt die klassische philosophische Frage nach

dem Menschen in unserer metaphysikkritischen Zeit oft überholt. Gleichzeitig erleben

anthropologische Fragen in den Natur- wie Geisteswissenschaften eine Renaissance. Doch wie

können die spezialisierten Erkenntnisse der unterschiedlichen Disziplinen in ein umfassendes

Bild des Menschen integriert werden? Hier eröffnet sich ein Spannungsfeld zwischen

Wissenschaft und Philosophie: Wie lässt sich die Frage nach dem Menschen heute auf

zeitgemäße Weise philosophisch stellen? Ist die philosophische Anthropologie weiterhin an die

Idee eines überzeitlichen, unveränderlichen Wesens des Menschen gebunden? Oder muss sie

neue Wege einschlagen, jenseits traditioneller Konzepte von Vernunft und Geist – Wege, die

die leibliche, soziale und kulturelle Weltverflochtenheit menschlicher Existenz anerkennen?

Welche Konsequenzen ergeben sich für die Philosophie und Wissenschaft, wenn die Frage nach

einem etwaigen Wesen des Menschen stets offenbleiben muss? Was bedeutet dies zum Beispiel

in ethischer Perspektive für die Solidarität – mit anderen Menschen, Lebewesen oder der Natur?

Max Scheler und Helmuth Plessner gehören zu den zentralen Denkern einer Phänomenologischen

Anthropologie. Ihre Werke liefern entscheidende Impulse für aktuelle anthropologische

Fragestellungen und laden dazu ein, den Menschen als ganzheitliches Wesen über disziplinäre

Grenzen hinaus zu thematisieren. Schelers Philosophie betont die Rolle von Gefühlen als

grundlegend für den menschlichen Zugang zur Welt, das menschliche Verhältnis zur Natur und

zum solidarischen Zusammenhalt in der Mitwelt. Emotionale Phänomene sind für ihn (intersubjektive)

Erfahrungen, in denen uns präreflexiv Werte gegeben sind. Neben beeindruckenden

Beschreibungen einzelner Phänomene wie Ressentiment, Scham und Reue entwickelte Scheler

eine vom emotionalen Leben ausgehende Ethik und Sozialphilosophie, und begründete die

Wissenssoziologie. Plessner untersucht den Menschen in seinem Verhältnis zum eigenen Körper

und betont dessen doppelte Verfassung zugleich in die Welt eingebettet und dieser gegenüber

distanziert zu sein. Sein Denken verbindet eine Philosophie des organischen Lebens mit

Überlegungen zu Geschichte, Soziokultur, Lachen, Weinen und Schauspiel. Beide Autoren betonen

die Wichtigkeit des menschlichen Ausdrucks, die Auseinandersetzung mit den positiven

Wissenschaften, insbesondere der Biologie sowie die Radikalität der Frage nach den Formen

der Vergesellschaftung und ihren Ermöglichungsbedingungen. Ihre Ansätze eröffnen vielfältige

Perspektiven an der Schnittstelle von Philosophie, Lebens- sowie Sozial- und Kulturwissenschaften,

die neue Wege für ein interdisziplinäres Verständnis des Menschen aufzeigen.

Im Workshop wollen wir die Bedeutung der bis heute vielfach noch unterschätzten Phänomenologischen

Anthropologien Max Schelers und Helmuth Plessners diskutieren sowie Anschlussmöglichkeiten

ihres Denkens an aktuelle Forschungsfelder evaluieren. Hierzu laden wir Nachwuchswissenschaftler*

innen und fortgeschrittene Studierende ohne große Vorkenntnisse ein,

sich mit Teilen der Werke Schelers und Plessners auseinanderzusetzen und im Kontext gegenwärtiger

Problemstellungen zu reflektieren.

 

Wann und Wo?

Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), 29.07. bis 1.08.2025

 

Wie ist das Format?

Der Workshop wird größtenteils aus kleinen Gesprächskreisen bestehen, in denen einschlägige

Texte der beiden Autoren in lockerer Atmosphäre diskutiert werden. Inwiefern können Schelers

und Plessners Überlegungen heute dazu beitragen gesellschaftliche, politische und auch

ökologische Probleme zu thematisieren und etwaige Setzungen innerhalb der Disziplinen in

Frage zu stellen? Inwiefern können sie aber auch dazu beitragen, konkrete Phänomene unseres

alltäglichen Lebens wie Scham, Trauer, Lächerlichkeit oder Authentizität zu thematisieren?

Ergänzt wird die Arbeit der Lektüregruppen durch Vorträge ausgewiesener Scheler und

Plessner-Expert*innen (u.a. Prof. Dr. Gesa Lindemann, Prof. Dr.Patrick Lang und Prof. Dr.

Ralf Becker). Diese Vorträge münden jeweils in ein Roundtable-Gespräch, das den Raum für

interdisziplinären Austausch und weiterführende Fragen eröffnet. Nach Absprache können im

Rahmen des Workshops auch eigene Projekte vorgestellt und diskutiert werden.

 

Die Veranstaltung richtet sich an Personen aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs und

fortgeschrittene Studierende unterschiedlichster Fachrichtungen (bspw. Philosophie,

Soziologie, Geschichts- und Kulturwissenschaft, Psychologie, Theater- und

Medienwissenschaften, Theologie, Medizin, Biologie, Kognitionswissenschaft usw.), die

Interesse am Thema haben und vielleicht sogar Anregungen für (eigene) Forschungsvorhaben

aufnehmen oder weitergeben möchten.

 

Teilnahme und Kosten

Die Teilnahme am Workshop ist kostenlos und wird durch die Max Scheler Gesellschaft und

die Helmuth-Plessner-Gesellschaft gefördert. Den Teilnehmer*innen wird eine

Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt (Dom Studencki UAM w Słubicach,

Einzelzimmer oder Zweibettzimmer). Eine barrierefreie Unterbringung ist möglich. Wir bitten

um rechtzeitige Mitteilung, sollte Bedarf bestehen. Die Fahrtkosten werden übernommen bzw.

bis zu einem Höchstbetrag von 120 Euro bezuschusst. Die Workshop-Plätze sind begrenzt,

daher bitten wir um Bewerbung mit kurzem Lebenslauf und Motivationsschreiben (max. 1

Seite) per E-Mail. Bewerbungsschluss ist der 31.03.2025. Ansprechpartner für Bewerbungen

sind Dr. Katrin Felgenhauer (katrin.felgenhauer@web.de) sowie Konstantin Hokamp

(hokamp@europa-uni.de). Wenn der Wunsch besteht, ein eigenes Projekt vorzustellen, bitten

wir darum, dies im Vorfeld zu kommunizieren.

Hinweis

Die Vorträge sind öffentlich und können daher auch von Gästen besucht werden. In diesem Fall

wird um eine kurze Anmeldung per Mail gebeten: katrin.felgenhauer@web.de oder

hokamp@europa-uni.de

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