Buch | Kapitel
Soziale Prozesse
pp. 87-94
Abstrakt
„Es ist ... nicht unberechtigt, wenn man unter einem Individuum einen Menschen versteht, der sich wandelt, der nicht nur, wie man das manchmal ausdrückt, einen Prozeß durchläuft; das ist eine der Redewendungen nach dem Muster der zuvor erwähnten: ‚Der Fluß fließt‘, ‚der Wind weht‘. Obgleich es zunächst den herkömmlichen Sprach- und Denkgewohnheiten zuwiderläuft, ist es viel sachgerechter, wenn man sagt, der Mensch ist ständig in Bewegung; er durchläuft nicht nur einen Prozeß, er ist ein Prozeß. Er entwickelt sich. Und wenn wir von einer Entwicklung sprechen, dann meinen wir die immanente Ordnung der kontinuierlichen Abfolge, in der jeweils eine spätere Gestalt aus der früheren, in der etwa Jugend aus der Kindheit, Erwachsensein aus der Jugend ohne Unterbrechung hervorgeht. Der Mensch ist ein Prozeß“ (Soziologie 1970/2006, 155; Hervorh. im Original). Gesellschaften und die sie bildenden Individuen — und eben der Mensch selbst — sind für Elias prozesshaft und nicht statisch. Deshalb plädiert er für einen Wechsel von einer Zustands- zu einer Prozess-Soziologie. Soziale Prozesse werden von Elias nie unabhängig von individuellen Handlungen betrachtet; sie sind langfristige, mindestens drei Generationen umfassende Wandlungen von Figurationen: „Aus dieser ständigen Verflechtung ergeben sich immer wieder langfristige Veränderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen, die kein Mensch geplant und wohl auch niemand vorausgesehen hat“ (Prozesse 1986/2006, 109).
Publication details
Published in:
Treibel Annette (2008) Die Soziologie von Norbert Elias: eine Einführung in ihre Geschichte, Systematik und Perspektiven. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Seiten: 87-94
DOI: 10.1007/978-3-531-91171-7_6
Referenz:
Treibel Annette (2008) Soziale Prozesse, In: Die Soziologie von Norbert Elias, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 87–94.