Das Eigene und das Fremde
Frauen und ihre Beteiligung am kolonialen Diskurs
pp. 201-218
Abstrakt
Weiße Frauen hatten "in der Formulierung des kolonialen Diskurses fast nichts zu sagen" (Gouda 1993, S. 199). Zu dieser Schlußfolgerung gelangt die Historikerin Frances Gouda in ihrer Studie über die niederländische Kolonialpolitik in Sumatra. Mit dieser These werden weiße Frauen von der Last des kolonialen Erbes quasi freigesprochen, wenn nicht sogar selbst zu Opfern der Kolonisation erklärt. In der Frauen- und Geschlechtergeschichte wird seit über einem Jahrzehnt gegen diese aus der frühen Nationalsozialismusforschung stammende ,Opferthese" angeschrieben (vgl. zuletzt Heinsohn/Vogel /Weckel 1997), in der Analyse des kolonialen Diskurses steht ihre kritische Hinterfragung aber noch weitgehend aus. Die ersten historischen Studien über weiße Frauen in den Kolonien stammen aus der Reiseliteraturforschung, in der die , Opfer-Täter-Debatte" nur zögernd rezipiert wurde. Reisen wurde vorschnell mit Emanzipation, mit einer prinzipiellen Offenheit gegenüber anderen Kulturen gleichgesetzt, eurozentristische, rassistische oder nationalistische Tendenzen in den Reiseberichten gerieten darüber aus dem Blickfeld. Eine neuere Studie aus der Reiseliteraturforschung, die die ,Opfer-Täter-Debatte" aufgreift, ist kürzlich erschienen (Fell 1998), aber sie ist zu sehr darauf fixiert, den deutschen Kolonialismus als strukturellen Vorläufer des Faschismus zu entlarven. Kontinuitäten sind zweifelsohne vorhanden, bei dieser Interpretation bleibt allerdings erklärungsbedürftig, warum andere europäische Kolonialmächte wie England oder Frankreich nicht die gleiche politische Entwicklung genommen haben.
Publication details
Published in:
Lohmann Ingrid, Gogolin Ingrid (2000) Die Kultivierung der Medien: Erziehungs- und sozialwissenschaftliche Beiträge. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Seiten: 201-218
DOI: 10.1007/978-3-322-93319-5_10
Referenz:
Kleinau Elke (2000) „Das Eigene und das Fremde: Frauen und ihre Beteiligung am kolonialen Diskurs“, In: I. Lohmann & I. Gogolin (Hrsg.), Die Kultivierung der Medien, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 201–218.